Nichts bleibt wie es war...
Nichts bleibt wie es war. Diesem Grundsatz versucht sich das Objekt 5 nun schon seit Jahren zur Wehr zu setzen. Den Geist der früheren Jahre aufrechtzuerhalten, ist sicher gelungen, allen äußeren Zwängen zum Trotz. Was diesen „Geist“ jedoch ausmacht, ist schwer zu fassen. Die Dauerfete unter dem Deckmantel der Kultur? Oder Kult-Urgelage einer zeitlos pubertären Minderheit zwischen Rumhängen und Extremismus? Vielleicht ein Traditionskabinett der Halleschen Szene? Früher wurde dieses kollektive Anderssein mit staatlicher Wachsamkeit „belohnt“, heute, wo die deutsche Republik demokratisch ist, sogar mit Fördergeldern. Also muß doch mehr dahinter stecken!
Dahinter? - Räumlich gesehen auf jeden Fall, denn im Straßenzug der Seebener Straße ist die Nummer 5 eher unscheinbar. Ein denkmalgeschütztes Fischerhüttchen und ein ruinöser Dreigeschosser aus der Gründerzeit, welcher in der heute wieder aktuellen Investorenherrlichkeit gefühllos angeklatscht wurde. Akzeptieren wir dieses ungleiche Gebäudepaar als Zeitdokument. Nur durch ein „Mauseloch“ erreicht man den eigentlichen Ort des Geschehens - den Hof. Wenn der erzählen könnte ... Kann er aber nicht! Und so rankt sich ein feines Gespinst aus Fakten, Dokumenten, persönlichen Erin- nerungen und Geschichten um diesen Ort, der damit zu etwas Legendärem wird.
Ich selbst kann als ´88 Zugereister nur wenige Erinnerungen aus der Vorwendezeit beisteuern, dies auch nur in Bildfetzen: Kulturfest mit Musik und Theater, ausgelassene Geburtstagsfeiern, bei denen nach Mitternacht regelmäßig zwei ältliche Polizisten auftauchten, die von der illustren Gesellschaft reichlich belegt wurden, und Klausi Mitschke habe ich noch vor Augen, der als König von Deutschland das Ding drehen wollte aus dem kleinen Fensterchen seiner Wohnung zum Hof.
Die Gründung des Kulturvereins war dann eigentlich nur eine spontane Initiative von den Leuten, die wollten, daß es nach Klaus´ verhängnisvollem Unfall so weiter geht wie bisher. Zunächst war das ganze Engagement ziemlich sentimental geprägt, so im Sinne von Vermächtnis erfüllen. Entsprechend dilettantisch erscheint aus heutiger Sicht die Organisation und Bewirtschaftung in der ersten Zeit. Die Vereinsgründung hatte nicht nur zum Ziel, eine halbwegs etablierte Einrichtung mit der gewohnten Ausstrahlung zu erhalten, sondern vor allem öffentliche Akzeptanz zu erringen. Dies war besonders im Hinblick auf die Klärung der Eigentumsverhältnisse am Grundstück wichtig, denn eins war unumstritten: Eine Verlagerung der Aktivitäten wird nie funktionieren. Hinzu kam, daß langsam der Verwaltungsapparat zu funktionieren begann und dem Ablauf der Dinge mit Ver- und Geboten tüchtig zusetzte. Besonders das Gewerbeamt und das Bauordnungsamt wollten nur das Beste, und das sind nun mal die bundesdeutschen Vorschriften, für die wir ja schließlich auf die Straße gegangen sind. Die Querelen mit den Ämtern haben die Motivation fortzufahren manchmal auf den Nullpunkt gedrückt. Trotzdem ging es immer irgendwie weiter mit geschlossenen Kompromissen, eiligst verfaßten Genehmigungsunterlagen und natürlich dem guten Leumund von Sympathisanten an öffentlichen Stellen, denen hier auch mal gedankt werden muß. Unbeirrt ging der Kultur- und Kneipenrummel weiter.
Zwischenzeitlich wurde sogar der Krug zum Grünen Kranze mitbewirtschaftet, auch hier mit Mißgunst der bürgerlichen Nachbarschaft.
Daß der bauliche Rahmen des Objekts Dreh- und Angelpunkt des Fortbestehens war, lag offensichtlich auf der Hand. Da jedoch die Eigentumsverhältnisse am Grundstück sehr verworren waren, schien jedwede größere Investition absurd. Der ernsthafte Vorstoß, über einen Investitionsvorrangbescheid eine Klärung herbeizuführen, scheiterte kläglich. Die dafür erarbeiteten Bauunterlagen waren sehr umfangreich und wiesen entsprechend den notwendigen Bedingungen neben der Nutzung des Hofes als Versammlungs- und Kneipenraum, einen kleinen Kinosaal und Wohnungen in der „Ruine“ aus, was im nachhinein ziemlich realitätsfremd erscheint. Die gesamte Investition hätte etwa 1,5 Mio DM betragen. Der gute Name des Architekturbüros Graul sollte dem Antrag den nötigen fachlichen Nachdruck verleihen. (Übrigens wurde hier die erste Idee zu der heutigen Dachform geboren.)
Der finanzielle Aufwand war schwindelerregend. Das fanden die Banken auch. Entweder hatten sie selbst nicht so viel Geld, oder sie wollten die Konjunktur nicht gefährden, jedenfalls lehnten sie eine Beihilfe mit Krediten ab, was den Antrag zu Fall brachte.
Währenddessen nahmen die Dinge ihren Lauf. Das Grundstück wurde rückübertragen an eine Münchner Professorenfamilie. Nach einigem Hin und Her im gewohnten Ost-West-Dialog konnte Markus Keitel, mittlerweile zum Chef der Gastwirtschaft avanciert, die Seebener Straße Nr. 5 käuflich erwerben. Das alles geschah in enger Abstimmung mit dem Kulturverein, um den Fortbestand der Einrichtung zu sichern.
Nun stand theoretisch den längst fälligen Umbaumaßnahmen nichts, außer ein bißchen fehlendes Geld, im Wege, und das kam dann wie ein warmer Regen in Form von der Bewilligung beantragter Fördermittel des Vereins. Man mag es als Glücksumstand bezeichnen, ich bin jedoch der Meinung, daß ein langjähriges Engagement für die hallesche Kulturszene diese finanzielle Unterstützung rechtfertigt. Des Reichen Lohn ist des Glückes Schmied ... oder so.
Nun mußte alles sehr schnell gehen, denn Fördermittel sind jährlich befristete Gelegenheiten, die, am Schopfe zu packen, schon manches Mal vergeigt wurde. Im Frühjahr 1997 wurde ich mit der Planung des neuen Hofdaches betraut. Trotz langjähriger Beschäftigung mit der Materie war es keine leichte Aufgabe, wenn aus allen abstrakten Vorstellungen Realität werden soll, vor allem in statischer Hinsicht. Eine Einbeziehung des Bauordnungsamtes zu einem möglichst frühen Zeitpunkt war unbedingt erforderlich, um den Erfolg der Maßnahme zu sichern. Bei der Erarbeitung der eigentlichen Dachform stand mir Klaus Völker, genannt Kotschi, zur Seite. Anhand eines Modells hatten wir eine Lösung zusammengebastelt, die den formalen und konstruktiven Ansprüchen gerechtfertigt schien. Die erste Vorsprache im Bauamt endete im Chaos, das maßgeblich von einer denkmalpflegerischen destruktiven Position bestimmt war. Tragisch war weniger die geäußerte Kritik als vielmehr der daraus entstehende Zeitverzug. Mitunter sind solche Auseinandersetzungen durchaus reizvoll, aber unter Zeitdruck sind vorgetragene persönliche Empfindsamkeiten einfach nervig. Eine nochmalige Überarbeitung brachte die jetzt realisierte Lösung.

Sie hat den Segen der Ämter bekommen und ist damit für das hoffentlich wohlwollende wie entscheidende Urteil des künftigen Publikums freigegeben. Der Baubeginn erfolgte im September 1997. Neben den Arbeiten am Dach, die den Hof weitgehend schall-und wärmedicht machen sollen, wurden die Decken und das Dach der Ruine erneuert. Damit ist eindeutig die Entscheidung gefallen, daß dieses Gebäude erhalten bleibt. Im Zuge der Hauptarbeiten sind von den Mannen des Objekt 5 noch diverse andere bauliche Maßnahmen durchgeführt worden. So wurden der Hof mit Stirnholz gepflastert, das Entwässerungssystem erneuert sowie fünf Damentoiletten installiert, womit der seit der Jahrhundertwende beklagte Notstand an sanitären Anlagen endlich ad acta gelegt werden kann.
Nun ist nur zu hoffen, daß das Bestreben aller, die am Umbau beschäftigt waren, den Charakter des OBJEKT 5 nicht zu verbiegen, sondern zu festigen, gelungen ist. Ohne persönlichen Einsatz wäre das Ergebnis halb so gut und schön.
Im Namen des Vereins möchte ich mich bedanken bei:
- GIH-Spezialteam Klaus Heinrich als Generalunternehmer
- Steffen Merkel als Bauüberwacher
- IHB Meiningen als maßgeblichem Bauausführenden (i.B. Ali und Alfred)
- Matthias Augustin als Koordinator des Vereins und Bauherrenvertreter
- Markus Keitel als Hausherrn
- Wolf Fischer und Wolfgang Langheinrich als Projektanten, Statiker und Bauberater
- Fa. Cronberg als Stahlbauer
- Klaus Völker als Berater
- Micha Weihe für den Tresenrahmen
- Uwe Selle, Installationsberatung
- Willi, Heidi, Andre, Micha, Meff, Alfred, Mattjes kleinem Bruder Jens,
- Frank und seinen Gehilfen, großem und kleinem Watschel, Henning, Heiko
- und den vielen anderen, die ich jetzt vielleicht vergessen habe.