Erinnerungen zum „Objekt 5” Teil 1

Mit dem „Objekt 5” - bevor es so genannt wurde, war es die Seebener Straße 5a (die Objekt-Bezeichnung hat Ecki Werner später kreiert)- verbinden sich viele angenehme Erinnerungen; das Negative streicht man ohnehin aus dem Gedächtnis. Ich habe darin in den Jahren 1965 bis 1971 gelebt. Zunächst war es meine dritte Studentenwohnung in Halle, nicht unbedingt die beste. Ich studierte Architektur von 1962 bis 1967 an der HIF und gehörte zum letzten vollen Studiengang dieser Disziplin. Zum damals berüchtigten Jahrgang „Stud. Arch. I, II, III, ... ” gehörten solch markante Leute wie „Wasja” Götze (1 Jahr lang), „Stahlarm”(Klaus Heuwinkel, verstorben 1981), der Rockmusiker Manfred Schulze, der Hühne „Micha” Mahn und solch „starke” Frauen wie Sigrid Busse/Schaller, Heidrun Starkloff/v. Amende, Friederike Zinke/Fuchs, um nur einige zu nennen. - Soviel zur Studiengeneration.

Vor dem „Objekt 5” wohnte ich genau gegenüber in der „Gelben Minna”, dem Pendant zur „Pauline”, giebelseitig zur Seebener Straße, etwa 8m von den ins Depot einmündenden Straßenbahn- gleisen entfernt (Verkehrslärm - das Gerüttel, Rangieren und den durch Trillerpfeifen und Kommandos erzeugten Geräuschpegel - war ich also gewöhnt; und das traf für das Sein im Objekt ebenfalls zu, der Schwerlastverkehr ließ die Gläser im Raum klirren). Als man vorhatte, das „weiße Haus”, den Hochschulbau neu zu errichten, mußte ich leider ausziehen, obgleich das Gebäude danach noch als Mädcheninternat genutzt worden ist. Es war eine glückliche Fügung, daß „Möser-Franz”, für die Zuteilung von Studen- tenwohnungen an der HIF zuständig, mir zwei winzige Räumchen oben links in der 5a, die gerade frei geworden waren, anbot und das für 8,60 Mark Miete. So blieb ich in der Nähe der Burg - ja, es blieb mir sogar das Überqueren der Straße auf dem Weg dorthin erspart. An die spartanischen Bedingungen studentischen Wohn- raumes war man ja gewöhnt; ich ließ mir erst mal Wasser nach oben verlegen, vorher gab es keinen Anschluß.

Die 15 cm dünnen Wände verlangten viel Energie, aber das geringe Raumvolumen war schnell erwärmt. Ein eiserner emaillierter Kanonenofen aus der Zeit der Jahrhundertwende brachte schnell bullernde Wärme. Der Kohlenverschlag unter dem Hang- garten im Hof mußte immer gut gefüllt sein. Im Winter war's manchmal schon dramatisch, wenn das Wasser im Strang nach oben und die Toiletten (eng und stinkig) einfroren. Dafür schmolz im Sommer die Margarine im Schrank, eine elektrische Kochplatte war die einzige Küchentechnik. Aber ansonsten war das Leben im Haus schon ganz erträglich. Mit dem Maßstab offenbar wesentlich kleiner proportionierter Menschen in der Vergangenheit des Gesindehauses der Burg mußte man sich anfreunden. Beim Treppensteigen und Türunterqueren war eine besondere Haltung vonnöten. Bei 1,83 m Körperhöhe konnte man sich schlimme Dellen oder 'nen Nasenbeinbruch am Türsturz holen, von oben war ein unfreiwillig schneller Abgang die Treppe herab möglich. Der Boden war staubig und im Sommer heiß und stickig und nicht überall begehbar, um die Decke nicht durchzutreten - außerdem voller verschiedener Gefäße, um den durchtropfenden Regen aufzufangen, was für Belegarbeiten in der Wohnung verhängnisvoll war.
Aber all das hatte selbst eine über 70jährige Dame (Frau Kiesewetter) überstanden, die dort lange Zeit lebte und erst 1969 auszog. Ihre Wohnung konnte ich dazunehmen - nach dem Diplom 1967 lebte ich mit meiner Familie (zwei Kinder) zunächst in ca. 15 qm Fläche - so daß wir dann die ganze obere Etage nutzen konnten.

Im Erdgeschoß lebte Thomas Anders - ein angenehmer, ruhiger Hausgenosse, wohl der die längste Zeit im Haus lebende Bewohner. Einige in der Erinnerung besonders markante Feten haben wir zusammen bestritten.
Im hinteren Gebäude lebte zu der Zeit eine Familie Pfeifer/Holzmann; 4 Frauen, 3 Generationen, in nicht viel komfortableren Verhältnissen. Es ließ sich mit ihnen ganz gut auskommen, obgleich sie unter uns Studenten oft zu „leiden” hatten - besonders zu den Feten, deren „Aus schweifungen” für sie nicht akzeptabel schienen. Auf solche Anlässe soll im weiteren noch gesondert eingegangen werden.

Irgendwann hat der Pfarrerssohn „Ecki” Werner die hintere Wohnung übernommen; damit war alles nunmehr in der Hand von Burgstudenten bzw. -absolventen. Mit ihm kam auch etwas mehr Unruhe in das Objekt - aber zu dem Zeitpunkt war ich mit meiner Familie bereits einige Häuser weiter verzogen. Mir blieb meine ursprüngliche Studentenwohnung als Arbeitsraum bis in meine Berlinjahre ab 1972 hinein. Später war Thomas alleiniger Mieter im Vorderhaus.

Der zum Amtsgarten hin durch eine Mauer begrenzte Hof war mitunter fast romantisch, aber auch schmutzig durch die Mülltonnen; schattig und feucht an kühlen Tagen. Im Hof standen zwei Motorroller, ein ”Troll„ von Thomas und mein ”Berlin”, der Luxus unserer Studentenzeit. Auch Fahrräder gab es. Die Pflege des Hanggartens hatte ich einige Jahre übernommen. Man kam nur über eine Leiter nach oben - aber dort war es luftig, sonnig, grün ... Der Obstbaum blühte manche Jahre in voller Pracht und spendete dann wohlschmeckende Äpfel. Auf dem Rasen da oben liegend konnte man des Sommers in die Sonne blinzeln und die Arbeit vergessen.

Wenn man die Zeit im Objekt treffend charakterisieren wollte, so wären da die alten idyllischen Räume von menschlichem Maßstab aus vergangener Zeit, die Abgeschie- denheit vom Leben außerhalb der Straße, die Burgnähe und auch Erlebnisse in dieser Zeit der Hoffnung und Lebenserwartung. Es war, wie die Burg, eine Insel.
Die Studienzeit hat uns wesentlich geformt. Ich kann sagen, daß alle meine Wertmaßstäbe in dieser Zeit geprägt worden sind und bis heute - mit Abstrichen - Bestand haben. Die Burg und ihr Umfeld, nicht zu vergessen all die Menschen, die darin eingebunden waren, haben dazu beigetragen. Anlaß, sich in einem Statement zum „Objekt 5” dessen zu erinnern.